Was bedeutet New Work für Führungskräfte und ihre Unternehmen? Verschiedenste Ansichten werden zu dieser Frage auf Konferenzen, Management-Etagen und im Netz ambivalent diskutiert. Jörn Hendrik Ast, renommierter Experte für die neue Arbeitswelt, kommentiert sieben von KRONGAARD ausgewählte Thesen mit bewusst kontroverser Schärfe.
1. New Work stärkt die Rolle von Mitarbeitenden – durch mobiles Arbeiten, persönliche Entfaltung und Teilhabe an Entscheidungen. Bedeutet im Umkehrschluss: Führungskräfte sind die Verlierer*innen von New Work.
Nein. Alle gehören zu den Verlierer*innen, wenn die Transformation zu agilem Arbeiten, einem Kernpunkt von New Work, nicht gelingt. Mitarbeitende verlieren durch vage Hierarchien und unscharfe Entscheidungen an Sicherheit. Sie wollen Klarheit, es einfach haben.
Und unvorbereitete Führungskräfte sind durch die neuen Strukturen überfordert. Sie sollen ein Team führen, das sich selbst führt. Es entsteht eine völlig neue Dynamik in allen Prozessen. Wenn sich Manager*innen dieser Veränderung öffnen, gehören sie zu den Gewinner*innen. In flachen Hierarchien agieren sie näher an ihrem Team, dem Markt und den Kunden.
2. New Work verschiebt Machtverhältnisse und Verantwortung weg vom Management hin zu agilen Arbeitsteams. Aus Hierarchie wird Interaktion.
An diese These habe ich lange geglaubt und sie auch so propagiert. Doch sie ist leider falsch. Noch immer lastet auf Systemen, die in sich operieren, ein unglaublich verkrustetes mittleres Management. Das betrifft Konzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen. Zahlreiche Führungskräfte verhindern noch Agilität. Sie arbeiten lieber an ihrer Beförderung in die Geschäftsleitung. Das macht sie unter Umständen bissig. Manchmal drücken nach unten und halten Untergebene klein. Agilität lebt aber von Augenhöhe.
Doch New Work setzt sich langsam, aber stetig durch. Ein Kunde von mir, adidas, befindet sich aktuell in der großen Transformation “Future of IT”. Sie wollen schneller weiterkommen, dem Wettbewerb davonlaufen. Sie machen das gut – arbeiten in Sprintformaten und messen den Erfolg in regelmäßigen Feedbackschleifen.
3. Manager*innen müssen “loslassen”, arbeiten auf Augenhöhe mit maximaler Vertrauens-, Fehler- und Wertschätzungskultur. Dafür erhalten sie bessere und schnellere Ergebnisse.
Das stimmt, wenn sie sich die reformierte Führungsrolle hart erarbeiten. Manager*innen müssen lernen, sich selbst zu führen, sich neu einzuschätzen. Bei diesem Prozess sind Coaches mit einem externen Blick praktisch unentbehrlich. Denn es ist eine Sache des Mindsets. Wo bisher “Command and Control” und personalisierbare KPIs regierten, machen agile Arbeitsweisen, Feedbacks und Entscheidungsbefugnisse die Teams unabhängiger und effizienter. Eine hemmende Hierarchie werden sich Fachkräfte wie angestellte Entwickler*innen auch nicht mehr gefallen lassen. Sie bekommen überall einen Job.
4. Führungskräfte ohne Digital Skills haben in Zeiten von New Work keine Zukunft.
Richtig, spätestens seit der Pandemie kommt kein Unternehmen ohne Videokonferenzen aus. Doch viele Manager*innen wussten nicht, wie sie die Technik effektiv einsetzen können. Microsoft Teams beispielsweise verbindet das visuelle Tool mit einem Community-getriebenen Messenger. In Echtzeit chatten war jedoch vielen Führungskräften fremd. In agilen Teams zählt das zum normalen Arbeitsprozess.
Zu den digitalen Skills gehört auch das Etablieren von Spielregeln für die Crew. Wann bin ich wie erreichbar? In welcher Zeit muss oder werde ich antworten? Im Trend liegt die sogenannte “asynchrone Kommunikation”. Dabei geht der Versendende einer Nachricht nicht davon aus, dass diese direkt bearbeitet wird. Die Reaktionszeit steckt das Team einvernehmlich ab.
5. Kommunikative Fähigkeiten werden durch New Work wichtiger als Fachkenntnisse.
Deutschland ist bekannt für seinen Fokus auf die fachliche Kompetenz.
Führungskräfte in New-Work-Strukturen müssen heute erkennen, dass in ihrem Team Menschen arbeiten, die fachlich klüger sind. Manager*innen bilden nun das kommunikative Zentrum und treffen Entscheidungen. Mit Integrität und Konsequenzen. Das sollte und darf niemand den Führenden abnehmen. Die Sicherheit, dass ihr Team ihnen die richtigen Entschlüsse zutraut, prägt die Persönlichkeit der Entscheider*innen.
6. Ein vom Team getragener Fahrplan ersetzt den traditionellen Führungsstil “Command and Control”.
Bisher galt: “Wir genehmigen ein Budget, beauftragen ein Team und planen das Projekt für zwei Jahre. Dann erwarten wir das Ergebnis.” Verantwortet von berufenen Führungskräften. Doch diese zähe Strategie ist von gestern. Agile Teams projektieren eine Vision langfristiger und kreieren innerhalb von zehn Jahren die bestmögliche Lösung der Branche. Mit vielen Zwischenschritten am Markt und Feedbackschleifen, ohne langwierige Freigaben von Führungsgremien. Wenige, dafür bessere Manager*innen entscheiden, begeistern Kund*innen, reagieren auf Feedbacks und entwickeln im Team weiter.
7. New Work verlangt nach einem neuen Level für Personalmanagement und Employer Branding.
Unbedingt. Denn Employer Branding verkörpern die, die es am besten können: die Mitarbeitenden. Sie transportieren die Zugehörigkeit zu einer Familie, einer Gemeinschaft. Und dieses Gefühl kann niemand faken.
New Work braucht in Zeiten der hybriden Arbeit keine Obstkörbe und Tischkicker. Sie braucht Führungskräfte, die ihr Einzelbüro mal wieder verlassen und raus ins Team gehen. Nicht nur als “Undercover Boss”.
Herr Ast, zum Abschluss eine Frage: Welche drei konkreten Tipps geben Sie einer Führungsperson für den Start in ein New-Work-Konzept?
- Lassen Sie sich coachen. Trainieren Sie Selbstführung und verantworten Sie Ihre eigene Entwicklung.
- Führen Sie ein Ritual ein: die Retrospektive! Was war gut, was war schlecht, was müssen wir verändern. Keep, drop, try. Am besten professionell moderiert.
- Haben Sie Mut zu Entscheidungen, das ist die Aufgabe einer Führungskraft. Schauen Sie in die Zukunft und formulieren Sie Hypothesen, die Sie am Markt testen.
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