ubulando – ein exotischer Name für ein Unternehmen. Wie kamst du darauf?
Meine Co-Gründerin und ich haben uns von “Ubuntu” inspirieren lassen. Diese südafrikanische Lebensphilosophie steht für Teamgeist und das Wir. Der Gedanke dahinter: Zusammen kann man mehr erreichen. Nach dieser Philosophie leben und arbeiten wir bei ubulando.
Wie überträgst du dieses Konzept in der Praxis auf deine Projekte?
Data Analytics Projekte können sehr komplex sein. Oft gibt es Business Anforderungen aus einer Vielzahl von Teams. Das Entwicklerteam spricht verschiedene Programmiersprachen und es sind verschiedene Systeme im Einsatz. Niemand kennt sich in allen Bereichen gleichermaßen gut aus. Das heißt, man ist auf Austausch und Schwarmintelligenz angewiesen.
Du bist Expertin für “agiles Projektmanagement”. Was versteht man darunter?
Ehrlich gesagt finde ich die Formulierung “agiles Projektmanagement” unglücklich gewählt. Es gibt einen Unterschied zwischen Projektmanagement und der agilen Arbeitsweise.
„Bei der agilen Arbeitsweise existiert lediglich eine Produktvision. Man plant bis zur Realisierung des Produktes immer nur den nächsten Abschnitt.“
Was ist der Unterschied?
Im klassischen Projektmanagement ist alles stringent durchgeplant: Geschäftsanforderung, Konzept, Implementierung, Testing. Man spricht auch von der Wasserfall-Methode. Bei der agilen Arbeitsweise existiert lediglich eine Produktvision. Man plant bis zur Realisierung des Produktes immer nur den nächsten Abschnitt. Diese sogenannten Sprints umfassen einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen. Es wird regelmäßig geprüft: Was hat Priorität? Was müssen wir nächstes umsetzen?
Lässt sich agiles Arbeiten auf alle Projekte anwenden oder gibt es Unternehmungen, bei denen besagte Wasserfall-Methode ratsam ist?
Drei Aspekte müssen bei der Auswahl des passenden Verfahrens berücksichtigt werden: Umfang, Zeitraum und Kosten. Je nach Priorität wird die effektivste Vorgehensweise festgelegt. Ist der Umfang eines Projektes beispielsweise variabel, bietet sich eine agile Methode an. Ist er fix, ergibt Wasserfall eher Sinn.
Eine Methode für mehr Agilität: Scrum. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?
Laut Lehrbuch ist es ein nutzerorientiertes Vorgehensmodell im Projektmanagement oder in der Produktentwicklung, das insbesondere in der IT-Branche angewandt wird. Wir bei ubulando fassen den Begriff aber weiter. Es geht uns hauptsächlich um die Werte und Prinzipien der agilen Arbeitsweise, die Mitarbeitende innerhalb eines Teams leben. Stichwort New Leadership: Aufgaben werden nicht streng delegiert, sondern alle arbeiten eigenverantwortlich. Prozesse hinterfragen alle Beteiligten gemeinsam. Offene und transparente Kommunikation ist dafür essenziell, ebenso Mut und Selbstständigkeit.
Wie läuft Scrum ab?
Jedem Projektmitglied wird eine bestimmte Rolle zugewiesen. Es gibt den Scrum Master, den Product Owner und die Entwickler*innen. Allerdings herrscht innerhalb des Teams keine Hierarchie. Alle agieren auf Augenhöhe. Die Rollenaufteilung begünstigt jedoch gute Zusammenarbeit: Der Scrum Master leitet das Scrum Team und sorgt dafür, dass sich die Team-Mitglieder an Scrum Werte, Prinzipien und Praktiken halten. Der Product Owner gibt die Produktvision vor.
Wie setzen sich grundsätzlich gute Teams zusammen?
Ein gutes Team ist crossfunktional aufgestellt. Es besteht aus Nutzer*innen und Entwickler*innen. Idealerweise kommen sie aus verschiedenen Bereichen im Frontend, Backend, Design oder User Experience. Auch Diversität ist substanziell: Alter, Geschlecht, Nationalität. Je diverser, desto besser.
Warum ist Diversität wichtig?
Je diverser das Team, desto größer die Chance, dass alle benötigten Kompetenzen vorhanden sind. Wie gesagt: Die Projekte werden immer komplexer.
Was bringt es, wenn Teams auch anderweitig gemischt sind – also aus internen und externen Expert*innen bestehen?
Auch der Mix aus internen und externen Mitarbeitenden kann sehr bereichernd für das Team sein. Interne Mitarbeitende kennen das Kerngeschäft, externe Teammitglieder bringen Erfahrung aus gleichartigen Projekten bei anderen Kunden ein.
Immer mehr Unternehmen setzen auf Scrum. Dabei wurde das Modell bereits in den 1990ern entwickelt. Wie kommt es, dass Scrum und vergleichbare agile Ansätze erst jetzt so populär sind?
Die Welt wird immer vielschichtiger, insbesondere im Data-Analytics-Bereich. Mit agilen Methoden können wir die Komplexität strukturieren und handhabbar machen.
„Niemand weiß alles, kennt alle Softwarelösungen oder beherrscht jede Programmiersprache. Dieses Eingeständnis fällt besonders Führungskräften schwer.“
Dass sich Unternehmen gegen Veränderung sperren, ist nur ein Hindernis. Welche Störfaktoren verhindern agile Zusammenarbeit noch?
Die Menschen selbst. Niemand weiß alles, kennt alle Softwarelösungen oder beherrscht jede Programmiersprache. Dieses Eingeständnis fällt besonders Führungskräften schwer. Doch wir alle sind auf das Wissen der anderen angewiesen. Nur als Team können wir (fast) alles wissen.
Welche Bereiche sollten sich abseits der IT- und Technologiebranche mit agilem Arbeiten und Scrum beschäftigen?
Die Frage ist: In welcher Branche gibt es keine Software oder IT? Daten und ihre Verarbeitung sind mittlerweile Teil jeder Unternehmung.
In deinem LinkedIn Profil steht: "It is my mission to make impossible projects possible". Welche scheinbar unmöglichen Projekte hast du letztlich doch realisiert?
Ich habe mal ein Zwei-Millionen-Projekt begleitet. Kurz vor dessen Start wurde eine Million wieder aus dem Budget gestrichen. Es ergaben sich plötzlich komplett neue Anforderungen, der Umfang war ein anderer. Mithilfe von Rapid Prototyping, also dem raschen Bau eines Musterstücks, konnten wir ein Minimal Viable Product (MVP) realisieren. Durch diese frühestmöglich funktionsfähige Iteration eines Produktes lässt sich schnell Nutzerfeedback generieren. Mit diesem können Teams Fehlentwicklungen von Anfang an umschiffen und Kosten sparen.
Was ist der erste Schritt, wenn ein Projekt unmöglich erscheint?
Die gemeinsame Entwicklung einer Produktvision. Alle müssen das Ziel kennen und wissen, worauf sie hinarbeiten.
Deine Einschätzung: Bei welchen Themen benötigen Unternehmen aktuell am dringendsten Unterstützung von externen Projektmanager*innen?
Viele Organisationen starten gerade erst die agile Transformation. Der Mangel an Erfahrung führt schnell zu Überforderung. Der Wandel gerät ins Stocken oder bleibt ganz aus. Externe Expertinnen und Experten können Firmen besonders in der Initialphase unterstützen und agile Methoden moderieren.
Wann sollten Unternehmen spätestens externe Expert*innen heranziehen?
Am besten schon während der Planung des Produktes oder Projektes. So lassen sich gemeinsam Visionen entwickeln, Ziele definieren und die dafür passende Herangehensweise auswählen. Ich werde oft erst engagiert, wenn das geplante Budget längst überschritten ist.
Über die Jahre haben sich die Ansprüche an Projektmanager*innen gewandelt. Welche Veränderungen sind besonders signifikant – und welche Eigenschaften für externe Kräfte heute wichtig?
Ein IT-Background ist im Data-Analytics-Bereich von Vorteil, aber kein Muss. Projektmanager*innen müssen technisch nicht mehr alles selbst beherrschen. Ein Scrum Master wird beispielsweise eher als „Servant Leader” verstanden, als dienende Führungsperson. Alles, was sie tut, dient dem Wohle des Teams und ermöglicht ihm selbstorganisiertes Arbeiten. Dafür bedarf es Empathie sowie ein hohes Maß an Organisationstalent und Kommunikationsfähigkeit.
„Mein Job ist erledigt, wenn ein agiles Team entstanden oder ein Neuprodukt erfolgreich initiiert worden ist.“
Wenn deine Arbeit als Coach abgeschlossen ist und du das Unternehmen wieder verlässt: Was bleibt dann?
Wir arbeiten viele Monate zusammen. Oft bilden Unternehmen in diesem Zeitraum eigene Mitarbeitende aus, sodass ich meine Verantwortlichkeiten sukzessive abgebe. Mein Job ist erledigt, wenn ein agiles Team entstanden oder ein Neuprodukt erfolgreich initiiert worden ist. Über die Rückmeldung: „Das Team existiert oder das Produkt lebt noch”, freue ich mich hinterher am meisten. Bestenfalls findet bereits die Weiterentwicklung statt.
Hinsichtlich Projektmanagement und Teamführung: Was kann jedes Unternehmen von Scrum aus der Softwarebranche lernen?
Zum einen sind die Werte für gute Zusammenarbeit allgemeingültig: Transparenz, Neugier, Empathie, Selbstorganisation der Teammitglieder. Zum anderen treibt Reflexion die Optimierung an. In sogenannten Scrum-Zeremonien wird regelmäßig reflektiert: Was lief gut? Was schlecht? Das fördert den Austausch und die offene Kommunikation.
Zum Abschluss, Lena: Wie lautet die Rezeptur für einen erfolgreichen Projektabschluss? Nenne bitte drei wichtige und die alles entscheidende Geheimzutat.
Spaß am Vorhaben, Motivation und Commitment für das Produkt oder Projekt bilden die Basis. Mut zur Transparenz ist das garnierende Topping.