Frau Graf, was zeichnet Ihre Arbeit als Transformationsmanagerin aus?
Ich verstehe mich als Anstifterin, Katalysatorin und Begleiterin von Veränderungsprozessen. Mir liegt es am Herzen, Organisationen, Teams und Individuen lebendig zu machen, das Menschliche an den Arbeitsplatz zu bringen. Ich möchte Menschen dazu befähigen, sich mit ihrem kompletten Potenzial in die Arbeit einzubringen.
Wie gelingt das?
Der Schlüssel dazu sind ehrlicher Austausch, Empathie und Demut.
Ich vereine in meiner Arbeit Methoden aus der modernen Organisations- mit jenen aus der Persönlichkeitsentwicklung. Mir ist es wichtig, nachhaltige Lösungen gemeinsam zu erarbeiten und umzusetzen.
Wie entsteht das richtige Mindset in Bezug auf Change und New Work?
Ein Mindset, das Veränderung möglich macht, kommt aus dem Menschen heraus. Wenn ich nicht verstanden habe, warum ich mich verändern und meinen persönlichen Beitrag leisten soll, entsteht keine intrinsische Motivation. Wenn ich aber selbst den Zweck erkenne, kann ein ganz anderes Ergebnis herauskommen.
Angestoßen wird dieser Prozess von außen?
Wir verändern uns dann, wenn es Probleme gibt, wenn es wehtut. Wenn ein Unternehmen Kunden verliert und damit Gewinneinbußen erleidet, der Wettbewerb stärker wird. Es existieren nicht nur externe, sondern auch interne Einflüsse die herausfordern: eine hohe Fluktuation. Ein Generationenwechsel, der sichtbar wird. Prozesse, die nicht funktionieren. Und eine negative Grundstimmung, die sich spätestens in den Befragungen von Mitarbeitenden zeigt.
Wie kommunizieren Sie als Transformationsmanagerin, dass Veränderung positiv ist und nicht zwingend schmerzhaft?
Jede Herausforderung bringt Erkenntnisse mit sich. Nehme ich das Problem an, mache ich es sichtbar und löse es, kann ich nur gewinnen. Ich nehme die Mitarbeitenden an die Hand, damit sie selbst zu den Erkenntnissen kommen. Die Leute wollen sehr wohl etwas verändern. Aber nur, wenn sie gefragt, mitgenommen und in den Prozess involviert werden.
Wie involviert man richtig?
Ich begleite die Mitarbeitenden in Workshops. Gemeinsam finden wir heraus, was es braucht, um sich auf die „anderen“ Arbeitsweisen einzustellen. Dazu gehören Homeoffice, Desk Sharing, agiles Arbeiten. In einer immer komplexer werdenden Welt gibt es aber kein Patentrezept, um Wandel und Transformationsprozesse zu gestalten. Ich erarbeite mit jedem Unternehmen Individuallösungen.
Was sind die größten emotionalen Hemmschuhe gegen Veränderung?
Die Angst, den Job zu verlieren. Dass die eigene Position abgewertet und degradiert wird. Jede berufliche Veränderung setzt menschliche Ängste frei. Es stecken Haus, Familie, Verdienst, die ganzen Sicherheiten dahinter. Da muss ich bei meiner Arbeit – genauso wie die Entscheidenden – für Transparenz sorgen und Ängste nehmen.
Befeuern Krisensituationen, wie wir sie jetzt haben, diese Veränderungen?
Absolut. Ich habe in diesem Jahr 18 Unternehmen interviewt. Die haben alle gesagt: „Wir hätten nie gedacht, dass wir diese Krise bewältigen.” Sie haben es aber geschafft, auch wenn es schwierig war. Das setzt die Erkenntnis frei, dass es bei Veränderungen keine Grenzen gibt. Die Durchsetzung von Remote-Arbeit ist ein gutes Beispiel. Ich hatte vergangene Woche schon wieder ein alteingesessenes Unternehmen, das mittlerweile 80 Prozent Homeoffice durchgesetzt hat.
Wie wichtig ist es, diese Transformationskultur von oben in der Betriebshierarchie nach unten zu leben?
Ich bin der Meinung, es braucht beide Seiten. Wenn aber die Führungsebene nicht dabei ist, nicht vorlebt, wird es besonders schwierig. Die Mitarbeitenden benötigen Vorbilder und Motivation, neue Wege zu gehen.
Wie bringen Sie divers aufgestellte Managementebenen auf eine einheitliche Linie?
Das ist teilweise sehr komplex. Da hilft es, mit Kopf, Herz, Hand alle mitzunehmen. Es gibt Leute, die sind intrinsisch dabei, andere brauchen Zahlen und Argumente. Alle müssen anhand ihrer Charaktere angesprochen werden. Das ist für die agile Transformation notwendig. Es geht um das Zusammenarbeiten, um die Wandlung vom "Ich" zum "Wir”.
"Agil" ist ein neues Buzzword. Wie wichtig ist Agilität wirklich für Unternehmen?
Wenn eine Entscheidung vier Wochen braucht oder ständig revidiert wird, überlebt eine Organisation heutzutage nicht mehr lange. Der Wettbewerb wird härter und schneller. Auch die Kund*innen sind schlauer, sie können sich besser informieren. Und die jüngeren Generationen wollen anders arbeiten als die älteren. Sie haben ganz andere Ansprüche an ihren Job.
Verhindert altes hierarchisches Denken die Transformation?
Absolut. Agiles Arbeiten basiert auf Zusammenarbeit. Die Methoden funktionieren nur, wenn ich bereichs- und hierarchieübergreifend, und selbstorganisiert arbeite. Hierarchien sind dagegen abgeschlossene Systeme, es fehlt ihnen Transparenz. Noch ist es häufig so, dass jede*r einen Abschnitt für sich betreut. Ziel ist es aber, dass sich alle für den gesamten Prozess verantwortlich fühlen.
Droht Unternehmen, die nicht schnell genug umdenken, die Gefahr, den Anschluss zu verlieren?
Wer stehen bleibt, bekommt die jungen Mitarbeitenden nicht. Auch entsteht in den Unternehmen mehr Fluktuation. Die Entwicklung wird in den nächsten Jahren exponentiell steigen.