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07.09.2021
 
10 Min.

Dem selbständigen Unternehmer ist es wichtig Dinge voranzutreiben und das Machertum in der Verwaltung zu etablieren. So sagt er: „Wenn Sie zehn Mann in einen Raum zusammenholen, können Sie sicher sein, dass die elf Wege finden, warum man etwas nicht ermöglichen kann. Wir müssen einfach zu einer Kultur kommen, wo wir Sachen ermöglichen.“

Madsen, geboren 1972 in Kopenhagen, siedelte Anfang der Neunziger nach Norddeutschland um. Rasch wurde er als Unternehmer erfolgreich, später leitete er als Präsident die Geschicke der örtlichen Industrie- und Handelskammer. 2019 kandidierte der parteilose Madsen für das Oberbürgermeisteramt in Rostock – und gewann.

Madsen ist das erste Oberhaupt einer Großstadt, das keinen deutschen Pass besitzt. Er versteht sich als Vorantreiber und überparteilicher Vermittler. Regelmäßig kommt er mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch, das schafft Vertrauen. Während der Corona-Pandemie bescherten seine Maßnahmen der Stadt durchgängig geringe Infektionszahlen. Die Rostocker*innen, emotional mitgenommen, zogen am selben Strang. In seiner Kolumne „Updates aus dem Rathaus“ spricht er in der „brand eins” turnusmäßig über den Status quo im Amt. Madsen will die Dinge transparenter handhaben.

Jan Jagemann, Vorstandsvorsitzender der KRONGAARD AG, führt das Gespräch mit dem charismatischen Lokalpolitiker. Beide eint die Selfmade-Karriere als Unternehmer. Auch hat Jan Jagemann seine ganz eigene Verbindung mit dem Heimatland des Oberbürgermeisters. Er ist mit einer dänischen Frau verheiratet.

Jan Jagemann setzt sich – ähnlich wie Madsen – für ein moderneres, flexibleres und pragmatisches Deutschland ein. Über 20.000 der besten Projektexpert*innen helfen nationalen und internationalen Unternehmen dabei, die Herausforderungen der Gegenwart zu meistern. Drei Auszüge aus einem spannenden und vielfältigen Gespräch.

1. Digitalisierung beginnt im Kopf

Jan Jagemann: Wenn ich dänische Bürgerportale im Internet besuche, fällt mir die große Nutzer*innenfreundlichkeit auf. Alles ist strukturiert und zielgruppengerecht angelegt. Bei uns in Deutschland ist das nicht der Fall. Hier findet nahezu kein digitaler Austausch zwischen Menschen und Behörden statt. Wie kommt es, dass andere Länder sehr viel weiter sind?

Claus Ruhe Madsen: Zuerst müssen wir verstehen, dass Digitalisierung auch ein Mindset ist. Mit meiner Geburt erhielt ich in Dänemark eine Personennummer, über die ich in Zukunft alle Themen wie beispielsweise Umzüge abwickeln konnte. In Deutschland haben die Bürger*innen bei so was sofort den Datenschutz im Kopf und sorgen sich, was mit ihren Daten passiert. Die Mentalität der Menschen verlangt bei diesen Themen immer eine Lösung, die zu 110 Prozent zufriedenstellt.

In Dänemark sind die Leute entspannter. Die Dinge müssen nicht jeden Ausnahmefall abdecken. Es reicht auch eine Lösung, die zu 80 Prozent fertig ist. Der Rest ist ein Lernprozess.

Dieses Vorgehen versuche ich in unserer Verwaltung stärker zu etablieren. Ich möchte die Bürger*innen beteiligen und einen engeren Austausch schaffen. Das Angebot müssen sie allerdings annehmen. Dafür brauchen wir simple Lösungen, die Spaß machen, die einfach sind. Mit Werkzeugen von gestern können wir die Probleme von morgen nicht lösen.

2. Mit Mut in die Zukunft

Jan Jagemann: Viele dieser neuen Ideen und Projekte stoßen auf Skepsis. Besonders in der Digitalisierung ist der Datenschutz ein gern genutztes Argument, um Themen nicht anzugehen. Ein Gebiet, das viele Menschen gar nicht mehr richtig durchdringen können. Die Sicherheit persönlicher Daten ist unwidersprochen wichtig. Ich erlebe es aber selber in Dänemark, dass die Bürger*innen damit deutlich entspannter umgehen. In Deutschland fehlt der Mut. Denn: Ohne Datennutzung können wir nicht digitalisieren. Wie nehmen wir den Menschen diese Angst vor digitalen Prozessen?

Claus Ruhe Madsen: Einfach damit anfangen. Es braucht Piloten und Projekte, die die Digitalisierung voranbringen und den Menschen die Vorteile aufzeigen. Aber genau in diesem initialen Prozess geraten wir immer wieder ins Stocken. Es fehlt der Mut. Bei Problemen geben wir auf. Und neigen dazu, die Prozesse daraufhin noch komplizierter zu machen. Ich stelle mir dann immer die Frage, ob wir den Wandel überhaupt wollen.

Deshalb habe ich der Bundesregierung und einigen Institutionen wie dem Fraunhofer-Institut angeboten, dass Rostock zum Reallabor wird. Wir kreieren bei uns in der Stadt die Verwaltung von morgen. Wir haben den Mut, neue Dinge zu testen. Aber dafür brauchen wir die Freiheit, dass eine Idee auch scheitern darf. Denn daraus entstehen Lerneffekte, mit denen wir unsere Vorhaben immer weiter optimieren können. Danach sollen die Bürger*innen entscheiden, was ihnen lieber ist. Auf Ämtern eine Nummer ziehen und ewig warten – oder Personalausweise und Nummernschilder an einem Automaten abholen.

3. Offen für digitale Prozesse

Jan Jagemann: Die Verwaltung ist sehr juristisch geprägt. Jeder Antrag muss perfekt ausgefüllt sein, obwohl die Inhalte mitunter unverständlich sind. Ich fühle mich ausgebremst. Das passiert mir nicht, wenn ich online eine Flasche Wein bestelle oder einen Kurs im Fitnessstudio buche. Die User-Führung dieser Portale ist deutlich einfacher. Die Benutzung fällt leicht. Wie kann ein Wandel zur kundenorientierten Verwaltung gelingen und wo beginnt dieser überhaupt?

Claus Ruhe Madsen: Der große Unterschied ist, dass wir den Online-Weinhändler freiwillig besuchen. Es gibt viele Möglichkeiten, auch Konkurrenz unter den Anbietern. Wenn ich einen neuen Personalausweis beantrage, ist die Auswahl der Behörden gering. Der Zugang ist komplett anders. Und natürlich unterliegt ein solches Verfahren auch gewissen Normen, die es einzuhalten gilt.

Ich orientiere mich für den Wandel immer an dänischen Bürgerhäusern. Die Menschen können dort an einem Automaten einen neuen Ausweis bestellen oder die Mitarbeiter*innen um Rat fragen. Die Leute sind allgemein offen für digitale Prozesse. In Deutschland ist das anders. In der Verwaltung sträuben sich viele davor. Dabei sind die Menschen durchaus offen für die Vorteile der Digitalisierung. Fotoalben oder Überweisungen legen wir fast nur noch online an. Es ist eine Gewöhnungssache.

In der Verwaltung fehlt diese Begeisterung. Wir stellen das System nicht um, sodass es besser funktioniert. Stattdessen erschaffen wir digitale Zwillinge der vorhandenen Strukturen. So kann das nicht funktionieren. Der neue Prozess müsste den älteren bis auf wenige Ausnahmen ablösen. Dafür braucht es Mut zur Agilität und auch ein Eingeständnis: Bei manchen Themen müssen wir akzeptieren, dass eine Maschine den gleichen Job zügiger erledigen kann. Dadurch würden wir Arbeitskräfte gewinnen, die wir in anderen Projekten dringend benötigen.

Neudenker. Andersmacher. Pionier. Der ehemalige Rostocker Oberbürgermeister und aktuell Minister in der Landesregierung von Schleswig-Holstein Claus Ruhe Madsen schmücken einige inoffizielle Titel. Er ist der erste "ausländische” Bürgermeister in Deutschland gewesen.

Madsen ist brandeins-Kolumnist und Digitalisierung-Vorantreiber. Zuvor baute er als Unternehmer erfolgreiche Firmen auf und netzwerkte als Chef der Industrie und Handelskammer. Claus Ruhe Madsen, geboren 1972 in Kopenhagen, lebt und bereichert seit 1997 die Hansestadt Rostock.

Claus Ruhe Madsen - Minister in der Landesregierung von Schleswig-Holstein
Claus Ruhe Madsen
Minister in der Landesregierung von Schleswig-Holstein

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