Herr Zelenin, was macht ein Solution Architect und warum?
Zunächst einmal: Die Dinge, die ich tue, tue ich, weil ich eine Vision dahinter habe. Ich will mithilfe moderner Informationstechnologie unsere Welt ein wenig lebenswerter machen. Ich will die Begeisterung so vieler IT-Experten wie möglich wiedererwecken. In meinem KRONGAARD Projektportfolio steht vor allem Solution Architect, Entwickler und Berater. Mein Fokus liegt aber auf dem Training, dem Ermächtigen. Ich glaube, dass es keinem Unternehmen nachhaltig hilft, wenn ich dort sechs oder zwölf Monate alleine Projekte durchführe. Mein Ziel ist es, sie in dieser Zeit zu ermächtigen, künftig selbständig zu arbeiten.
Erklären Sie genau Ihre Aufgaben zwischen IT und Business Skills.
Die ersten zehn Jahre meiner IT-Erfahrung habe ich zum Spaß gemacht, weil ich es liebe, aus dem Nichts mit digitalen Mitteln Luftschlösser zu bauen. Heute werde ich dafür bezahlt, dass ich Probleme löse. Es geht immer darum, IT und Business zu verbinden, auch um Kosteneffizienz. Die jeweilige Firma, für die ich als selbständiger Experte tätig bin, hat hoffentlich ein gut funktionierendes Businessmodell. Wir bringen dort neue Innovationen rein. Nehmen wir einen Automobilhersteller, der Software nutzt, um Daten von seinen Autos zu sich in die Zentrale zu hieven. Es geht hier aber nicht nur um Informationen, sondern vor allem auch um die Frage: Wie nutzen wir neue Konzepte, um unsere Businessziele zu erreichen?
Gibt es Unterschiede zu einem normalen IT-Architekten?
Ich bewege mich sehr in Richtung Schulung. Mein Ziel ist es, ITler zu befähigen, Software richtig einzusetzen, ihre eigenen Architekturen zu bauen. Wir fangen – wie richtige Architekten – nicht auf einer grünen Wiese an. Ein neues Haus müssen sie auch der Umgebung in der Stadt anpassen. Wir müssen verstehen, welche Lösungen wir brauchen und wie wir sie ins Unternehmen integrieren.
Warum haben Sie sich für die Selbständigkeit entschieden? Es gibt genügend Angebote für Fachkräfte wie Sie.
Ich bin kein Mensch, der sich in einem Nine-to-five-Job gut fühlt. Ich möchte mich frei entscheiden können, wann und wo ich arbeite. Auf der anderen Seite ermöglicht mir die Selbständigkeit weiterzugehen, als ich es in einem normalen Angestelltenverhältnis machen könnte.
Was sind die wichtigsten Komponenten, die Sie in diesem komplexen System verbinden?
Die Verbindung zwischen IT und Business und das Verständnis, wie wir beides miteinander verweben, verstehen nicht so viele. IT alleine bringt nichts, wir brauchen eine gemeinsame Sprache, mit der wir kommunizieren können. Ich muss in der Lage sein, mit einem Wirtschaftler zu sprechen, auch mit einem Fachexperten bezüglich des Produkts. Deren Sprache müssen wir wiederum in die der ITler übersetzen.
Schwierig, denn das Know-how in den einzelnen Branchen ist unterschiedlich verteilt.
Es geht hierbei nicht darum, sich selber in den Vordergrund zu stellen, sondern den Leuten zu sagen: Das ist deins. Ich nenne es Coaching und Mentorship. Ich hatte unterschiedliche Kunden – Automobilhersteller, Versicherungen und Banken. Zudem hatte ich auch britische und amerikanische Projektpartner. Bei den ITlern von Großkonzernen hatte ich das Vorurteil, dass sie eh keinen Bock haben und in Ruhe gelassen werden wollen. Ich habe sie gefragt: Was an eurem Job zaubert euch Funken in die Augen, was bereitet euch Freude? Ich habe ihnen dann meine Geschichte erzählt, wie meine Liebe zur IT entflammte. Meine Mutter kam einmal von einer Fortbildung nach Hause. Ich war damals ein neunjähriger Knirps. Sie hatte in ihrem Seminar eine Website gebaut, alles war in Pink gehalten, es blinkte alles, grelle Überschriften, verschiedene Textgrößen. Ich habe gedacht: Das möchte ich auch können, aus dem Nichts Luftschlösser bauen. Wenn ich diesen Leuten in den Konzernen diese Geschichte erzähle, tauen sie auf. Sie berichten, wie sie ihre ersten Spiele mit dem Atari gecrackt oder programmiert haben. In jedem ITler schlummert irgendwo ein kleines verspieltes Kind. Davon bin ich überzeugt.
Welche Projekte reizen Sie?
Vor allem Befähigungsprojekte. In der Start-up-Welt gibt es das Wort Accelerator. Das ist jemand, der dich nach vorne schießt, mit minimalem Aufwand richtig voranbringt. Eine Software wie Apache Kafka, die ich schule, können wir uns wie eine Rakete vorstellen. Ich möchte Leute dazu ermächtigen, mit etwas Aufwand und Investment selber mit der kleinen Rakete in den Orbit zu kommen.
Was ist das Besondere an dieser Software?
Wenn ein SAP-System gut läuft, gehen etwa 100.000 Interaktionen die Minute. Apache Kafka ist eine ganz andere Dimension, eine Software, die entwickelt wurde, um Daten über die Website zu verarbeiten, um sie innerhalb der Systeme zu verschieben. Wir sprechen hier von Millionen Nachrichten in der Sekunde! Apache Kafka ist im Vergleich zu anderen Systemen extrem performant. Es ist eine Art zentrales Nervensystem, in dem wir jegliche Datenprozesse und -flüsse eines Unternehmens realisieren. Es ermöglicht neue Geschäftsprozesse, in denen es um Echtzeitdatenverarbeitung geht.
Stehen Sie vor der Schwierigkeit, Aufträge wegen einer gewissen Firmen-Policy des möglichen Kunden nicht anzunehmen zu wollen?
Glücklicherweise: nein! Aber ich kann mir vorstellen, diese Frage in bestimmten Branchen öfter zu stellen.
Wovon machen Sie denn abhängig, ob Sie eine Aufgabe als externer Berater annehmen?
Viele Berater, die ich kenne, setzen um. Es geht um outgesourcte Aufgaben, nicht um externe Beratung. Das möchte ich nicht mehr. Viele Unternehmen brauchen das zwar, weil sie nicht die nötigen personellen Kompetenzen haben, es selber zu lösen. Dieses Vorgehen passt aber nicht zu meiner Vision. Als externer Berater möchte ich dabei helfen, dass Unternehmen langfristig besser arbeiten können.
Haben Sie Wunschkunden?
Mich interessieren diejenigen, die wirklich wissen, verstehen, weitergehen wollen. Die dabei eine Vision haben und die unsere Welt lebenswerter machen wollen. Mir liegt an einem partnerschaftlichen Verhältnis, ich möchte zeitlich begrenzt einen gemeinsamen Weg gehen. Das gilt sowohl für Kunden wie auch für interne Stakeholder.
Sie bezeichnen sich selbst als Abenteurer. Ist es da kein Widerspruch, Leuten immer das Gleiche vermitteln zu müssen?
Ich erzähle nicht immer dasselbe. Bei mir sind keine Vorträge mit Tausenden Folien vorgesehen, bei denen die Zuhörer einschlafen. Zum Vergleich: Andere Firmen, die ähnliche Schulungen geben, machen in drei Tagen ungefähr 400 bis 500 Slides. Bei meinen Lerneinheiten malen wir 60 bis 70 Folien, die wir gemeinsam interaktiv ausarbeiten. Kein Foliensatz gleicht dem anderen.
Wie lernen Sie dazu, wie garantieren Sie Ihren Kunden Innovation?
Natürlich muss ich wissen, was aktuell ist. Viele unterschätzen aber die Soft-Skill-Komponente. Einen guten Berater unterscheidet von einem schlechten die Einfühlungsgabe. Es geht um einen anderen Blickwinkel.
KRONGAARD erhält viele Anfragen zu Ihrer Person. Die Feedbacks sind gut. Ist das Unternehmen für Sie als 27-jährigen, sehr jungen Berater auch der Türöffner gewesen?
Unbedingt. Ich habe das erste Projekt in meiner Selbständigkeit - im Guten - aus meinem letzten Angestelltenverhältnis mitgenommen. KRONGAARD hat mich dann dahin gebracht, wo ich jetzt bin.
Was war das wichtigste Learning in einem Projekt?
Es geht nie um die IT und nie um die Betriebswirtschaft. Wir reden immer über Menschen. Die IT ist nicht schuld, sie hat nichts Schlechtes im Sinn. Wenn wir an ihr scheitern, machen wir es nicht richtig, erklären oder kommunizieren nicht gut genug.
Was würden Sie als Entwickler gerne noch mal coden?
Ich entwickle nicht mehr für Geld. Ich habe zwar immer noch das Blut eines Entwicklers, mache das aber allein für private Zwecke.
Privat sind Sie Orientierungsläufer, von Skandinavien bis in die Alpen als Abenteurer unterwegs. Was machen Sie da genau?
Ich muss mit einem Kompass und Karten ausgestattet abgesteckte Posten schnellstmöglich ablaufen. Es ist die Verbindung von Physis und Psyche. Ich muss schnell laufen und entscheiden können. Das lässt sich super auf die IT übertragen.